Als Sport- und Fitnesskauffrau bin ich mit meinen 25 Jahren schon vom Beruf her sehr körperbewusst. Mit einem A-Körbchen war ich zwar nicht flachbrüstig, aber für meinen Geschmack war mein Busen zu klein geraten. Gut, ich hatte deshalb nie größere Komplexe, aber etwas mehr fand ich schon immer richtig sexy. Bisher habe ich mit Push-ups nachgeholfen, um mehr Fülle vorzutäuschen. Aber damit ist es seit ein paar Monaten vorbei.
10. März
Heute ist ein besonderer Tag für mich. Eigentlich habe ich nur einen gewöhnlichen Arzttermin. Aber gerade der bringt einen Traum in greifbare Nähe. Fast beiläufig berichtet mein Arzt von einer neuen Behandlungsmethode, mit der man ohne Skalpell die Brust vergrößern kann. Er benutzt das Wort „revolutionär“. Meinen Busen aufschneiden und ein Silikonkissen reinschieben lassen, käme für mich nicht in Frage. Das weiß er auch, weil wir schon mal darüber gesprochen haben. So ein großer Eingriff unter Vollnarkose ist mir zu riskant. Als mein Arzt mir erklärt, dass Macrolane, so heißt das neue Material, einfach mit einer Spritze in die Brust gefüllt wird und eine natürliche Substanz ist, die der Körper von allein wieder abbaut, werde ich hellhörig. Er sagt noch, dass es die gleiche Hyaluronsäure ist, die seit Jahren benutzt wird, um Falten, Lippen und Wangen aufzufüllen, nur etwas dickflüssiger. Schon auf dem Nachhauseweg kann ich an nichts anderes mehr denken: Eine Spritze und 15 Minuten später wäre es so weit: Ich könnte meinen Push-ups Lebewohl sagen.
17. März
Inzwischen weiß ich mehr über Macrolane. Ich habe mich ausführlich über Risiken und Nebenwirkungen aufklären lassen. Sie halten sich in Grenzen, weil das Material so gut wie keine Allergien hervorrufen kann. Hyaluronsäure kommt an vielen verschiedenen Stellen im Körper vor. Er kennt sozusagen, was ihm da eingespritzt wird. Innerhalb von durchschnittlich 18 Monaten wird die Hyaluronsäure im Busen wieder abgebaut. Ich finde es beruhigend, dass es nichts Dauerhaftes ist wie Silikon. Mit nur 100 bis 150 Millilitern der Substanz wird die Brust um maximal ein Körbchen größer. Das ist vergleichbar mit den 180 Millilitern Flüssigkeit, die das kleinste Brustimplantat hat.
20. März
Ich wache grübelnd auf. Soll ich oder soll ich nicht? Die Methode ist noch so neu, aber das ist meiner Meinung nach auch das Einzige, was dagegen spricht. Und was wird wohl mein Freund dazu sagen? Morgen kommt er von einer Dienstreise zurück. Am Wochenende, wenn wir allein sind, werde ich ihm erzählen, was ich vorhabe.
23. März Ostersonntag
Wir haben einen gemütlichen Brunch geplant, nur für uns beide. Die Gelegenheit ist günstig. „Aber ich mag kleine Brüste“, unterbricht er mich, als ich von der neuen Wunderspritze erzähle. Ich versuche ihn zu beruhigen, indem ich sage, er solle sich vorstellen, das sei ein eingebauter Push-up mit extra-viel Fülle. Schließlich meint er, dass er die Entscheidung mir überlassen wolle. Ich bin immer noch leicht verunsichert, aber die Vorstellung, dass mir bald ein B-Cup passt, lockt mich zu sehr. Mir ist klar: Ich werde es wagen.
26. März
Heute kaufe ich mir einen neuen BH. Als ich mich gestern zu dem Eingriff in der Arztpraxis meines Schönheitschirurgen angemeldet habe, erklärte man mir, dass ich vorher noch eine Mammografie machen lassen und einen Sport-BH mitbringen solle. Den müsse ich nämlich nach dem Eingriff für circa eine Woche tragen. Also stehe ich grübelnd vor dem Wäscheständer in meinem Lieblingsladen. Welche Größe solle ich kaufen? Ein A, das mir jetzt passt, oder ein B, das ich dann vielleicht haben werde? Ich denke positiv und kaufe das größere Modell.
1. April
Es klingt wie ein Aprilscherz, ist aber keiner. Schwester Maria redet beruhigend auf mich ein, während ich oben herum nackt in einer Art Liegestuhl im OP-Saal sitze. Dann gibt mir der Arzt in jede Brust eine Betäubungsspritze. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, denke ich noch, dann setzt bereits die Wirkung ein. Ich fühle mich leicht benebelt, als würde ich auf Wolke sieben schweben. Trotzdem bekomme ich alles mit. Wie eine lange, dünne Nadel unter der Brust angesetzt und ins Gewebe geschoben wird. Wie der Chirurg die gelartige Flüssigkeit einspritzt. Sie kommt über den Brustmuskel und unter das Brustgewebe, erklärt der Arzt. Ich sehe meinen Busen langsam wachsen. Ob ich noch mehr wolle, will mein Operateur wissen. Nein, es reicht. Er nimmt das Ergebnis ins Visier wie ein Golfer einen Putt. So kontrolliert er Größe, Form und Symmetrie. Ich spüre auch schon jetzt einen zunehmenden Druck im Gewebe. Das Ganze hat nun doch fast eine Stunde gedauert. Ich werde von Schwester Maria aus dem Operationssaal in einen gemütlicheren Raum geführt, in dem ich mich noch eine halbe Stunde ausruhen kann. Schon in dieser Zeit nimmt das Spannungsgefühl zu, das von der Schwellung kommt, die durch das Einspritzen entstanden ist.
2. April
Ich habe nun doch mehr Schmerzen als erwartet, besonders dann, wenn das geschwollene Gewebe in Bewegung gerät. Als ich mich morgens wie gewohnt im Bett aufrichten will, bleibt mir fast die Luft weg vor Schmerzen. Auch tagsüber drückt und spannt es unter dem Sport-BH. Die Brüste sind extrem empfindlich gegenüber Berührungen. Ich darf keine unkontrollierten Bewegungen machen, die Arme nicht plötzlich hochreißen oder einen Gegenstand oben aus dem Schrankfach holen. Doch der Anblick meiner neuen Brüste entschädigt mich für alles. Neu sind sie eigentlich nicht und das ist auch das Schöne daran. Sie sehen aus wie meine, total natürlich, nur etwas größer. Das Ergebnis ist fabelhaft, ganz gleichmäßig auf beiden Seiten. Die Form ist einfach perfekt, im Stehen und im Liegen auch. Hurra, ich habe jetzt Körbchengröße B! Auch mein Freund findet meinen größeren Busen schön. Ganz lieb meint er: „Solange du zufrieden bist, bin ich es auch.“
4. April
Mit jedem Tag fühlen sich meine Brüste besser an. Ich habe keinerlei Blutergüsse und die Schmerzen werden auch weniger. Haut und Gewebe gewöhnen sich allmählich an das neue Volumen. Das einzige, was mich etwas nervt, ist, dass ich immer noch nicht duschen darf, was ich sonst ausgiebig mache. Die Pflaster unterhalb der Brust müssen trocken bleiben. Aber in wenigen Tagen kommen sie weg, tröste ich mich. In den ersten Wochen soll ich mich keinen zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen aussetzen. Sauna ist also momentan gestrichen, ebenso Extremsportarten, bei denen man so richtig ins Schwitzen kommt. Aber alles in allem bin ich rundum zufrieden und froh, es gewagt zu haben. Ich würde es auch jederzeit wieder tun, weil der Aufwand verhältnismäßig gering ist. Aber vorerst stellt sich die Frage nicht. Mein Arzt sagte, dass Macrolane bis zu drei Jahren halten könne, da es jeder Organismus individuell abbaut. Mal sehen, wie es bei mir ist. Wenn es zu schnell geht, überlege ich mir vielleicht doch eine dauerhafte Vergrößerung, weil ich mich als „B“ einfach wohler fühle.
Sabine Fuchs/Protokoll: Margit Rüdiger
Erschienen in InStyle September 2008